Portsmouth

Nun gut, wir finden auf eigene Faust einen freien Liegeplatz und ein freundlicher Stegnachbar hilft beim Anlegen (»Just the two of you?!« – was will er damit sagen?!). Wir liegen gegenüber des historischen Feuerschiffs, das als Markenzeichen der Haßlar Marina seinen letzten Dienst tut. Es beherbergt außer einem kleinen Restaurant auch die Duschen und Toiletten für die Crews der Yachten, so dass wir stimmungsvoll duschen.

Am nächsten Tag macht Chaja eine etwas alarmierende Entdeckung und teilt uns mit, unser Ruder habe „Streifen“. Und tatsächlich, im klaren Wasser sieht es merkwürdig angeschabt aus. Wir erinnern uns dunkel an eine hässliche Szene in einer holländische Schleuse bei viel Seitenwind… Die Stopfbüchse haben Alfred und Mitsegler seitdem wegen etwas Wasser im Schiff bereits in Augenschein genommen, trotzdem sind wir besorgt. Am Ende bleibt nur ein Tauchgang. Johanna inspiziert das Ruder im kühlen, aber optisch ansprechenden Hafenwasser. Es hatte eindeutig Grundberührung, aber sie muss sanft abgelaufen sein. Lediglich eine kleine Ecke ist leicht angestoßen, das lässt sich anlässlich der kommenden Unterwasserschiffinspektion spachteln. Die „Streifen“ sind nur das abgeschabte Antifouling.

Erleichtert fahren wir mit der Personenfähre hinüber auf die Seite der Portsmouther City. Es gibt viel zu sehen! Ein großes Areal, auf dem sich früher Werften und Wirtschaftshäfen befanden, ist in einen riesigen Museumskomplex verwandelt. Das vor einigen Jahren gehobene Wrack der Mary Rose, der Stolz der Navy unter Heinrich VIII., für deren Bau 16 Hektar Eichenwald gerodet worden waren, ist zu besichtigen. Sie sank 1545, wahrscheinlich ganz ohne Zutun der im Solent anwesenden invasionsvorfreudigen Franzosen, weil sie irgendwie oben so schwer und unten so leicht war, dass sie unbeherrschbar krängte. Wir sehen uns aber lieber die fast vollständig erhaltene HMS Victory an, das Flaggschiff der Flotte von Admiral Nelson, auf dem er nach gewonnener Schlacht bei Trafalgar erschossen wurde. Vor allem die Dimensionen der tonnenschweren und steifen Ankertaue machen gehörigen Eindruck – das Lichten des Ankers dauerte mindestens 5 Stunden. Das macht das Gezeitensegeln gleich noch einmal viel spannender. Chaja setzt einen entgeisterten Blick auf, als sie erfährt, dass zwischen den Schiffen des Flottenverbandes nur per Flaggenalphabet kommuniziert werden konnte und weist Johanna darauf hin, dass UKW doch gar nicht so schlecht ist – so betrachtet: wohl war!

Die ganze große Sehenswürdigkeit betrachtet: Es ist einfach ungeheuerlich, was Krieg kostet!

Am nächsten Tag nehmen wir einen Mietwagen und fahren 80 km, Entschuldigung: 50 mi, nach Stonehenge. Obwohl dort x1000 Touristen täglich auflaufen, erleben wir sehr eindrückliche und stimmungsvolle Momente einfach dadurch, dass wir uns gegen den Shuttlebus entscheiden, der das Besucherzentrum mit der eigentlichen Stätte verbindet. Wir gehen 2 km zu Fuß über eine Rinderweide entlang eines frühzeitlichen Zugangswegs und sehen schon von weitem die Steine sich gegen den Horizont abzeichnen. Dass die unmittelbare Gegend um die Steine aus restauratorischen Gründen von den heutigen Besuchern nicht betreten werden darf, fühlt sich passend an, wenn man von den monate- und jahrelangen Reisen hört, die in der Frühzeit unternommen wurden, um an dieser Stelle zu stehen.

Am nächsten Tag wollen wir weiterziehen. Die Isle of Wight wartet auf uns. Alfred war schon einmal dort, nämlich zum Isle of Wight Festival 1970, das Woodstock so nahe kam, wie man ihm in Europa kommen konnte.

Vielleicht wird uns Portsmouth gar nicht so sehr wegen seiner maritimen Historie in Erinnerung bleiben, sonder weil wir so schöne Abendspaziergänge zum Supermarkt quer durch einen Park mit Spielplatz gemacht haben und dort Familien und Spaziergänger mit Hunden beobachtet haben. Und vielleicht auch ein wenig, weil Johanna ein großzügiges Stück Haut von ihren Handflächen dort auf dem Asphalt gelassen hat und die weitere Reise mit bandagierten Händen antritt.