Dartmouth

Der Wind kommt mit 8 kn aus ONO und wir versuchen Schmetterlingsegeln. Es geht zunächst gut, aber der Wind ist doch etwas schwach und nicht richtungsbeständig. Die Genua steht nicht gut und wir machen gaaaanz sacht eine – Patenthalse wäre dramatisierend. Schließlich baumen wir die Genua mit dem Spibaum aus und da läuft es! Wir freuen uns am Segeln, an der Morgensonne und an uns. Tochter Chaja hat ausgeschlafen und frühstückt um 10 Uhr gutgelaunt Rindswürstchen.

Gegen Mittag dreht der Wind auf OSO und wir können den Spibaum entfernen.

Der Tag bleibt ruhig. Wir liegen in der Sonne, es wird gebastelt und gelesen. Als alle hungrig sind, gibt eine große Platte Mozzarella mit Tomaten und an Bord gewachsenem Basilikum.

Stundenlang genießen wir den wunderschönen Ausblick. Die Küste Südenglands verändert sich merklich. Wir befinden uns vor der Grafschaft Devon, nach Kent, Eastsussex, Westsussex, Hampshire und der Isle of Wight die sechste Grafschaft, die wir bereisen. Im Westen vor uns liegt nur noch Cornwall. Im Osten der Südküste haben wir massiv ausgebaute, große Häfen gesehen, deren dicke Mauern Bände sprachen über die Seen, die bei Sturm dort auflaufen. Rund um die Isle of Wight und im Solvent liegen die Orte und Häfen in Flussmündungen und Buchten. Dazwischen erstrecken sich meilenweite Sandstrände und weiße Kreideklippen, an denen die Graslandschaft jäh abbricht. Jetzt wird die Küstenlinie schroffer, das Gestein ganz dunkel und Wald reicht bis zur Felskante heran.

Im Abendlicht nähern wir uns Dartmouth und sind hingerissen, als wir zum ersten Mal Besuch von Delfinen bekommen. Zunächst drei, später vier Tiere spielen in der Bugwelle der Moana Blu, kreuzen vor ihr von einer Seite zur anderen und lassen sich manchmal zurückfallen, so dass sie genau neben uns schwimmen. Wir stehen lange an der Reling und staunen, Chaja jubelt laut. Nach dieser Begegnung trägt zu unserer Verzauberung außerdem die wunderschöne, felsige Küste in der Mündung des Dart bei. Kleine Bäume wachsen in den Felswänden und die Landschaft sieht fast aus wie in einem japanischen Holzschnitt. Andererseits erinnert der tiefe Einschnitt der Flussmündung auch sehr an einen norwegischen Fjord. Vereinzelt stehen Häuser direkt in den Felsen, die Aussicht muss atemberaubend sein. Dartmouth und sein Zwillingsörtchen Kingswear am gegenüberliegenden Ufer ziehen sich mit ihren bunten Häusern die steile Küste hinauf und vom Wasser aus haben wir den allerschönsten Ausblick.

Im gemütlichen kleinen Yachthafen ist der Hafenmeister schon lange nach Hause gegangen, aber wir werden von zwei freundlichen Engländern herüber gewinkt und sie helfen uns im Päckchen an ihrem Boot festzumachen.

Um in den Ortskern auf der anderen Seite zu kommen fahren wir mit einer kleinen Personenfähre. Leider ist es schon so spät, dass wir viel zu wenig von Dartmouth sehen können. Zumindest landen wir im ältesten Pub* der Stadt, wo wir fein essen und den Einheimischen beim Plaudern zuhören. Es gibt ein Regal mit Brettspielen und eine richtige kleine Bibliothek. Wir blättern durch einen Bildband über die Beatles und Alfred und Chaja führen einen sehr amüsanten Dialog über all die Frisuren, Fan-Massen, Klamotten, Vinylplatten und was es sonst zu sehen gibt. Spät am Abend in völliger Dunkelheit kommen wir wieder zum Fähranleger und müssen auf die letzte Fahrt etwas warten. Da plätschert es neben uns und Chaja begreift als Erste, was das ist – nämlich eine große, dicke Kegelrobbe, die gemächlich durch den Hafen paddelt, uns lange neugierig beäugt und schließlich zwischen kleinen Booten in der Dunkelheit verschwindet. »Heute war der beste Tag«, sagt Chaja beim Einschlafen und da können wir nicht widersprechen.

* Unsere Päckchennachbarn erzählen am nächsten Morgen, sie seien im ältesten Pub Dartmouths gewesen und wir wundern uns alle, wie wir uns in dem engen Schuppen übersehen konnten. Nun ja, des Rätsels Lösung: Es gibt zwei allerälteste Pubs in diesem 5000-Einwohner-Städtchen…