Antigua

Alfred und Werner aus Frankfurt waren schon in der Vorwoche von Guadeloupe über Montserrat nach Antigua gesegelt. Gemeinsam wollten wir durch einen Kurztörn zu den nordöstlich-östlich vorgelagerten Inseln Werners Segelerlebnis ausklingen und meine Seetauglichkeit durch die ruhigen Tage des Ankerns vor den unbewohnten Inseln – durch das sogen. Einschaukeln – stärken lassen. Ich denke, beides ist uns vollumfänglich, wie es im Juristensprech heißt, gelungen.

Alfred gönnte mir noch einen Hafentag zum Eingewöhnen an das subtropische Klima und uns die Zeit, in Ruhe zu bunkern, bevor wir am Dienstag Richtung Maiden-Island los segelten. Wir ankerten westlich vor dem kleinen Eiland mit Blick auf einen schönen Sandstrand. Am nächsten Morgen erblickten wir dort einige Leute, die mit einem uns umfahrenden kleinen Motorboot kommunizierten. Schnell war uns klar, das sie gemeinsam ein ausgelegtes Netz in Richtung Strand zogen. Über ihren Fang konnten wir allerdings nichts ausmachen … Am Nachmittag fuhren Werner und Alfred mit dem Dingi zur Insel. Alfred schwamm wieder zurück!!!

Am nächsten Tag fuhren wir unter Motor zur nächstgelegenen Great Bird-Island, ankerten ebenso idyllisch und erkundeten mit dem Dingi die Insel. Daß die paradiesische Insel mit ihrer karibischen Flora auch ein Ausflugsboot mit einer Handvoll Amerikanern anlockte war nicht verwunderlich. Auch deren ungehemmter Ausdruck amerikanischer Lebenslust störte unseren Naturgenuß nur vorübergehend. Alfred schnorchelte und Werner probierte seine Drohne aus. Hier blieben wir zwei Tage.

Am Freitag, den 6.3., segelten wir wieder zurück zur Marina auf Antigua. Hier ließen wir am Abend im Restaurant „Crow‘s Nest“ – Krähennest, wie der Ausguck früher auf Segelschiffen hieß – die Woche ausklingen. Die Musik der Reggae-Live-Band rundete das Wochenerlebnis perfekt ab. Das zum Segelerlebnis.

Ein anderes war ein soziales resp. gruppendynamisches. Zwei Physiker und ein Metaphysiker verbringen gemeinsam auf einem Boot drei Anker-Tage und -Nächte … Kann diese soziologische Versuchsanordnung gut ausgehen? Gleich vorweg: Sie ging mehr als gut aus!!!

Der Kreativität des interdisziplinären Räsonnements entsprach ebenso Werners und Alfreds Künste in der Kombüse. Sei es das vorzügliche Müsli am Vormittag oder das indisch inspirierte Diner, sei es Alfreds vorzügliche Crepes – die unterschiedlichen Weltsicht-Konzepte verhinderten nicht den gemeinsamen Genuß, der über die rein sinnliche Wahrnehmung hinausging. Hier trafen sich drei aufgeklärte Hedonisten. Auch der provozierende Skeptizismus des Philosophen betr. des Weltlaufs aufs nihil negativum wurde gekonnt mit physikalisch begründeten Naturgesetzen durch die Physiker entgegnet. Es mangelte keinesfalls an anregenden Theoriegebilden, die von der Metaphysik an die Physik und von dieser wieder zurück an die Naturphilosophie durchgereicht wurde.

Meine Illustration der Mainländerschen Philosophie mithilfe des II. Thermodynamischen Hauptsatzes von Helmholtz und Claudius setzte immer wieder aufbrechende Fragestellungen beider Weltanschauungen in Gang. Die Vorstellung eines absoluten „Nichts“ ist physikalisch schwer nachzuvollziehen.

Ebenso zumindest suspekt war den Physikern die Sympathie des Metaphysikers für die Unschärfe-Relation der Quantenmechanik sowie die Raum-Bestimmung nach Kant. Und so nahm es nicht wunder, daß die Diskussionen vom morgendlichen Müsli bis zum abendlichen vegetarischen Diner immer wieder aufflammten – unterbrochen nur durch die oben geschilderten Dingi-Ausflüge zu den Inseln.

Die karibische Atmosphäre grundierte auch die Stimmung an Bord: gelassen, offen und ein einer guten Seemannschaft entsprechendes Teamwork. Beispielhaft dafür war die z.T. antizipierende Interaktion der beiden Vorschoter mit den Vorgaben des Skippers beim Kreuzen nach Maiden-Island.

Einigkeit herrschte auch in der Gewissheit, daß alle offenen Fragen, auch die der Bestimmung des Raumes aus physikalischer und erkenntnistheoretischer Sicht nur in einem weiteren ‚Törn de Disputatio‘ (auf-)geklärt werden können.